Die Uni in der Tasche

Pressespiegel: 04.11.2005, Jobbrief DIE ZEIT November 2005, Stefanie Jordan

***  1. Die Uni in der Tasche  ***

Mobile Learning – Lernen zu jeder Zeit an jedem Ort

„Mobile Learning“ – Lernen mit dem Handy oder dem Personal Digital Assistant (PDA) – ist ein Begriff aus den Weiten des „Electronic Learning“, oder kuerzer „E-Learning“.
Computerunterstuetztes Lernen gibt es bereits seit vierzig Jahren. Wie Kai Heddergott, Pressesprecher des Deutschen Netzwerks der E-Learning-Akteure e.V. (D-ELAN) erklärt, wurden beispielsweise schon 1965 angehende Journalisten an amerikanischen Universitäten mit Lernprogrammen zum Thema „Nachrichtenschreiben“ ausgebildet. Seit den achtziger Jahren spricht man von „Computer Based Training“ (CBT) und meint damit vor allem CD-ROM-basierte Lernanwendungen. Durch die Erweiterung um die Vernetzungs- und Kommunikationsmöglichkeiten des Internet kam Ende der neunziger Jahre der Begriff des „Web Based Training“ auf. Ungefaehr seit dem Jahr 2000 werden alle computergestuetzten Lernformen unter „E-Learning“ zusammengefasst.

Die Vorteile von M-Learning sind klar: Handys und PDAs sind handlicher als ein Desktop-Computer oder ein Laptop und bieten damit mehr Flexibilität. Das Medium ist immer verfügbar, aktuelle Informationen und Lerninhalte stets abrufbar.

Doch Mobile Learning hat auch Nachteile: Da ist zum einen die aufzubringende Selbstdisziplin, sich regelmässig mit dem Lernstoff auseinander zu setzen. Die Nutzer muessen zudem ihr Handy oder ihren PDA gut beherrschen. Zu beachten sind auch technische Details: Handys verfuegen oft ueber zu kleine Displays, während bei der Nutzung von PDAs die kleine Tastatur viel Fingerfertigkeit fordert. Nicht zu vergessen die hohen Kosten, die durch das Herunterladen datenintensiver Audio- und Videosequenzen entstehen.

Trotz dieser Tuecken hat das Lernen mit dem Handy Zukunft, behauptet Maciej Kuszpa vom „Mobile Education Center of Excellence“ an der Fern-Universität Hagen, wo bereits seit 2002 im Bereich des Mobile Learning geforscht wird. Eine kürzlich von diesem Institut in Auftrag gegebene Umfrage unter eintausend E-Learning-Experten gibt ihm Recht. Demnach glauben zwei Drittel der Befragten, dass sich das Thema Mobile Learning in den kommenden Jahren als wichtig erweisen wird.

Wir haben Maciej Kuszpa zum Thema „Mobile Learning“ befragt.

ZEIT_online: Wie viele Menschen in Deutschland nutzen Mobile Learning?

Maciej Kuszpa: Je nachdem, wie man „Mobile Learning“ definiert, würde ich schätzen, dass maximal 10.000 Menschen in Deutschland schon mal M-Learning ausprobiert haben – regelmässig nutzen es mit Sicherheit viel weniger.

ZEIT_online: Wie wird sich diese Zahl in den nächsten Jahren entwickeln?

Maciej Kuszpa: Ich bin überzeugt, dass diese Zahl stark steigen wird – insbesondere im Bereich „Edutainment“ und wenn die Mobilfunk-Preise sich denen im Festnetz-Bereich annähern werden.

ZEIT_online: In Ihrer Arbeit „Mobile Learning – Studieren mit dem Handy“ schreiben Sie, dass Mobile Learning in der Schule möglicherweise mehr Chancen habe als in der Erwachsenenbildung, da Schüler eine grössere Affinität zu mobilen Endgeräten besässen.
In der vom Mobile Education Center of Excellence in Auftrag gegebenen Umfrage glauben 80% der Befragten, dass mobile Endgeräte langfristig unterstützend im Rahmen des Lernens für den Beruf zum Einsatz kommen.
Ist das nicht ein Widerspruch?

Maciej Kuszpa: Nein, überhaupt kein Widerspruch. Es ist meines Erachtens eine Generationenfrage, weil die heutigen Schüler meist mehr mit dem Handy als mit dem PC vertraut sind – im Gegensatz zu den heutigen Erwachsenen, die eher den PC als das Handy bevorzugen. Wenn ich zum Beispiel meine 17-jährige Schwester und ihre Freunde frage, ob sie mehr SMS (Handy) oder Mails (PC) verschicken, dann ist die Antwort immer „SMS“. Bei Leuten um die 30 ist dagegen die Antwort immer „Mails“. Vor diesem Hintergrund bin ich persönlich der Überzeugung, dass die heutige (junge) Handy-Generation – aufgrund des ihnen sehr vertrauten Mediums – Mobile Learning eher als meine (ältere) PC-Generation nutzen würde.
Allerdings muss noch die Kosten-Problematik gelöst werden; das Handy wird in der Öffentlichkeit grundsätzlich als Kostenfalle bei Jugendlichen gesehen!
Ich bin jedoch auch der Meinung, dass mobile Endgeräte langfristig unterstützend im Rahmen des Lernens für den Beruf zum Einsatz kommen, weil in den nächsten Jahren aus den heutigen Schülern Berufstätige werden.

ZEIT_online: In der Wikipedia-Definition des Begriffs „E-Learning“ steht sinngemäß, dass noch vor wenigen Jahren E-Learning als die Bildungsform des 21. Jahrhunderts gegolten habe; mittlerweile wisse man, dass E-Learning traditionelle Bildungsformen nicht ersetzen sondern lediglich den Lernprozess unterstützen und ergänzen könne.
Ist das auch Ihre Meinung?

Maciej Kuszpa: Ja, definitiv. E- und M-Learning sind kein Ersatz bisheriger Lernformen, sondern – unter bestimmten Voraussetzungen – sinnvolle Ergänzungen dieser. Man könnte böse behaupten, dass es sich lediglich um ein weiteres „Medium“ für die Weitergabe von Wissen handelt.
Überlegen Sie: anfangs konnte man nur persönlich vom Lehrer lernen, dann konnte man zusätzlich aus Büchern, die der Lehrer geschrieben hatte, lernen. Irgendwann konnte man zudem den Lehrer im Fernsehen sehen oder im Radio hören.
Schließlich ist der Multimedia-PC eigentlich nur ein Buch, Fernsehen, Radio und gegebenenfalls der Lehrer persönlich in einem „Medium“ vereint.  Und da das Handy nichts anderes als ein kleiner Computer ist, haben wir mit Mobile Learning auch keine wirkliche Innovation für das Lernen – Lernen ist immer noch mit Aufwand verbunden.

ZEIT_online: Ist der Einsatz von Mobile Learning auch in anderen Bereichen denkbar?

Maciej Kuszpa: Ja, zum Beispiel im touristischen Bereich.
Möglich ist eine Art „Schnitzeljagd“ für Touristen im Rahmen von Edutainment. Mit Hilfe insbesondere der Ortungsfunktion in mobilen Endgeräten können neuartige Lernangebote konzipiert werden.
Ein Beispiel: Ich fahre nach Rom. Normalerweise habe ich entweder jemanden, der mich durch die Stadt führt oder einen Reiseführer im Buchformat. Wenn nun stattdessen mein Handy mir sagt, dass ich auf dem Petersplatz stehe, wo bis zu 300.000 Menschen Platz haben und mich dann weiter zur Engelsburg navigiert und dort weitere Informationen zur Verfügung stellt, habe ich nach mehreren Sehenswürdigkeiten eine Entdeckungsreise durch die Stadt hinter mir.
Nehmen wir nun an, dass ich zu Anfang zudem vom Handy erfahren habe, dass ich aufpassen muss, weil am Ende ein kleines Quiz kommt, dann geht es schon in Richtung Lernen.
Noch spannender wird es darüber hinaus, wenn ich beim bestandenen Test eine Belohnung erhalte – zum Beispiel einen Gutschein über ein Getränk in einer Pizzeria am Ende meines Rundganges. Einen Gutschein auf das Handy zu erhalten ist per SMS ganz einfach.
Und das Fazit: Ich freue mich, weil ich einiges gesehen habe, ohne mich zu verlaufen und weil ich ein kostenloses Getränk nach einem „anstrengenden“ Tag bekomme. Die Pizzeria freut sich über einen weiteren Gast, der auch bestimmt etwas essen will. Die Stadt Rom freut sich, weil der Tourist die Stadt „intensiver“ beziehungsweise „informativer“ erlebt hat. Und ganz nebenbei habe ich – weil ich mich für den Test auf die Informationen zu den Sehenswürdigkeiten konzentriert habe – etwas über Rom dazugelernt.

Das Gespräch führte Stefanie Jordan
Weitere Informationen im Internet

„Mobile Education Center of Excellence“ der FernUni Hagen:
http://www.mobile-education.de

Deutsches Netzwerk der E-Learning-Akteure e.V. (D-ELAN):
http://www.d-elan.net

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